8 Fragen zum Wandel mit Hanno Franke
Als Agentur beschäftigen wir uns regelmäßig mit dem Thema Wandel, meistens indem wir Gespräche und Diskussionen kuratieren und live auf die Bühne bringen. Nicht nur in unserem Team, sondern auch in der Community, zum Beispiel in Florians Podcasts „Expedition Arbeit“ und „Geiler Laden“, die sich unter anderem mit diesen Themen beschäftigen.
Mein heutiger Interview-Partner ist Hanno Franke, der das Marketing und den Bereich CSR beim SC Freiburg leitet. Hanno ist schon seit fast 28 Jahren beim SC an Bord und hat somit jeden erdenklichen Wandel in der Vereinsgeschichte hautnah miterlebt.
Hanno, der SC Freiburg ist 2021 in ein neues Stadion umgezogen, ein riesiger Schritt für einen Verein. Wie schafft man es trotz der Veränderung von äußeren Strukturen die inneren beizubehalten? Oder muss man auch diese zwangsweise anpassen?
Die inneren Strukturen sind sukzessive mit dem Voranschreiten des Stadionneubaus angepasst worden und werden noch laufend angepasst. Die neue Spielstätte mit all ihren gestiegenen funktionalen Anforderungen an und für den Sport (für Trainingsarbeit und Wettkampf), die Gastronomie am Spieltag, für die Medien und Broadcaster, den Fanshop, die Büroorganisation der Geschäftsstelle, der Trainer und der Scouts – das alles verlangt immer mehr Spezialisierung in den verschiedenen Vereinsbereichen. Und nicht zuletzt die stetig wachsende Zahl der Mitglieder und Mitgliederinnen, bei der wir vor der magischen Zahl von 40.000 stehen. Der Verein befindet sich in einem Veränderungsprozess, keine Frage. Und dennoch wurde die Aufgabe, bei sich zu bleiben, die alten Stärken nicht den neuen Herausforderungen zu opfern, von Anfang an sehr ernst genommen. Das ist der Spagat, den es zu bewältigen gilt.
Wo andere Vereine ihren Trainer schon entlassen hätten (z.B. mit dem Abstieg in die zweite Liga), hält der SC an seinem Trainer Christian Streich fest. Wie schafft ihr es, auch in anderen Bereichen langfristigen Erfolg über „quick wins“ zu stellen?
Das von Dir angesprochene Beispiel belegt doch am besten wie wichtig ein langer Atem sein kann. Christian hat den Abstieg seinerzeit umgehend korrigieren können, um anschließend mit der Kontinuität seiner Arbeit, den sportlichen Erfolg zunehmend zu stabilisieren. Die Krönung erfolgte dann letzte Saison: DFB-Pokalfinale und direkte Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League. Besser geht es wohl kaum. Was im absolut wichtigsten Leistungsbereichs des Vereins gilt, gilt auch in der täglichen Arbeit des Vereins außerhalb des Platzes: Nicht über jedes Stöckchen springen, dass einem hingehalten wird, abwägen zwischen den teils unterschiedlichen Interessen der Dialoggruppen, den Weg der wirtschaftlichen Solidität nicht verlassen – nicht immer sexy, aber immens erfolgreich die letzten 30 Jahre.
Welches waren in Deinen fast 30 Jahren in der Vereinsgeschichte des SC Freiburg entscheidende Wendepunkte – und warum?
Es sind schon die Meilensteine, die auch die wichtigsten Entwicklungsschritte des Vereins markieren. Der Ausbau der Spielstätte an der Dreisam stand Mitte der 90er Jahre absolut im Fokus, der Bau der Freiburger Fußballschule und die Positionierung als Ausbildungsverein, das Voranbringen der Vermarktung des Vereins, die einher ging; negativ – die polarisierende Trennung von Volker Finke mit dem Riss in der Anhängerschaft und im Verein, der Wiederaufstieg danach und die anschließende Europa League Qualifikation 2013. Die letzten Jahre vor allem prägend: der lange Weg zum neuen Stadion inklusive des gewonnenen Bürgerentscheids.
Was hat sich in der Sportart Fußball verändert? Wie beobachtest Du die neue Generation der Spieler:innen? Gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu „damals“?
Die neue Generation geht eindeutig öfter zum Frisör. :0) Ansonsten gibt es generationstypische Unterschiede, da ist der Fußball ganz Spiegelbild der sonstigen gesellschaftlichen und soziologischen Entwicklung. Für die jüngere Spielergeneration ist der SC ganz sicher mittlerweile eher eine feste Größe im deutschen Profifußball, während die frühere Generation – denken wir z.B. an die Aufsteiger von 1993 – sicherlich viel mehr um die Fragilität des Freiburger Standortes wussten und im Zweifelsfall, worauf sie sich einlassen.
Was hältst Du davon, dass heutzutage solch unvorstellbare Ablösesummen für Spieler gezahlt werden? Und wie könnte ein sinnvoller Angleich von Gehältern im Frauenfußball aussehen?
Der Bundeskanzler hat ja diesbezüglich jüngst eine Debatte angestoßen, was das Thema Prämien von Nationalspielerinnen auf großen Turnieren betrifft. Ich glaube tatsächlich, dass das ein wichtiges Zeichen sein kann. Generell hat sich die Liga das Thema Förderung des Frauenfußballs verordnet. Und ich denke, dass der SC in den letzten Jahren eher ein Vorbild diesbezüglich war und ist. Dennoch kann man nicht komplett ausblenden, dass sich der weibliche Fußball seine Breite auch erarbeiten muss. Die fällt nicht vom Himmel, auch nicht nach einer wirklich begeisternden Europameisterschaft. Aber die Vereine müssen diese Entwicklung eben auch befördern. Dabei wird es letztendlich auch darum gehen, mehr Frauen auch hinter dem Sport in Verantwortung zu bringen, Stichwort Frauen im Fußball. Was die grundsätzliche Diskussion von Ablösesummen betrifft, gilt erst einmal eine nüchterne Betrachtung. Ein Spieler kann seinen derzeitigen Club nur vor Ablauf seines Vertrages verlassen, wenn dieser einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages zustimmt. Als Entschädigung für die vorzeitige Vertragsauflösung zahlt der Club, zu dem der Spieler wechselt, in der Regel eine Ablösesumme an den abgebenden Club. Das ist soweit eine logische Regelung. Dort, wo Clubs meinen, obszöne Ablösesummen bezahlen zu wollen, um einen Spieler in den eigenen Kader zu bekommen, ist das irgendwann gesellschaftlich nicht mehr vermittelbar. Fußballfans spüren, dass ein Spieler alleine, dieses Geld nicht wert sein kann.
Andere Fußballclubs sind Kapitalgesellschaften und der SC ist ein Verein, der seinen Mitgliedern „gehört“, der immer noch der 50+1-Regel folgt. Warum ist euch das wichtig?
Dahinter steht die generelle Frage, wem gehören die Vereine, den Mitgliedern und Mitgliederinnen oder Investoren, die eigene Interessen verfolgen. In England oder Spanien sind die Profiklubs teilweise sogar in der Hand eines einzigen Eigners, der dadurch eine relativ große Macht über den Verein hat. Oder wie jüngst heftig diskutiert, die Übernahme von Newcastle United durch den saudi-arabischen Staatsfonds PIF. Saudi-Arabien steht wegen Menschenrechtsverletzungen stark in der Kritik. Das sind Zustände, die wir dem Fußball in Deutschland u.a. deshalb nicht wünschen, weil wir glauben, dass er damit ein großes Stück seiner Identität und somit seiner gesellschaftlichen Verankerung verlieren würde. Insofern stellt 50+1 im deutschen Profifußball eine wichtige Regelung dar, die innerhalb der höchsten europäischen Ligen einzigartig ist.
Soziales Engagement ist dem SC Freiburg sehr wichtig, oder? Provokant könnte man sagen, dass ja jeder Verein mal eine Spende macht. Was macht der SC anders?
Da bin ich jetzt etwas irritiert ob des provokanten Vergleichs. Unser Engagement erschöpft sich ja keineswegs nur in Spenden. Das tun wir auch, immer dort, wo es gerade geboten ist und langfristig und nachhaltig über unser Partnerschaftsprojekt FAIR ways. In unserem gesellschaftlichen Engagement nennen wir dieses Handlungsfeld „Solidarität“: Ob in der Flüchtlingskrise, der Pandemie oder im Ukrainekrieg – nur drei Beispiele der jüngsten Vergangenheit. Mit unserem gesellschaftlichen Engagement bearbeiten wir aber viel mehr. Die Projekte, die dort von der Kita bis zur Grundschule, vom Bolzplatz bis hin zu den verschiedenen Qualifizierungsangeboten für Pädagogen und Trainer- und Trainerinnen bearbeitet und umgesetzt werden, zielen auf Bewegungsförderung, Teilhabe und Bildung. Das jüngste Großprojekt, die Sport-Quartiere haben sich überdies zur Aufgabe gemacht die Vernetzung von Schulen, Kitas, Sportvereinen und sonstigen Akteuren im Kiez voranzubringen, um dem Bewegungsmangel vor allem bei Kindern zu begegnen, Wir erreichen mit unseren Programmen mehrere Hunderte Kids pro Woche ganz direkt. Hinter diesen Projekten verbirgt sich inhaltliche Arbeit, die vor allem auf die Breitensportförderung zielt, auf Sport in seiner sozialen Funktion – das hat nichts mit Spendenwesen zu tun.
Was war Dein persönlicher Lieblingsmoment in all den Jahren? 🙂
Am Ende sind die schönsten Momente in meiner beruflichen Laufbahn bis heute die tollen Spiele, die sich tief ins emotionale Gedächtnis eingebrannt haben. Diese besonderen Matches, an die du dich ein Leben lang erinnerst und das Mitfiebern und öfter noch das „Mitbibbern“ bei einem Spiel, bei dem es total drauf ankam. Ich könnte da so viele aufzählen. Der Reihe nach vielleicht drei Spiele exemplarisch herausgegriffen: Das 2-1 gegen die Bayern in der allerletzten Spielminute der Saison 2014/15, als Karim Guedé diesen Zuckerpass auf Nils Petersen spielt und das Dreisamstadion vor lauter Euphorie und Emotionalität fast geplatzt ist. Zu dem Zeitpunkt dachten wir ja noch, dass wir gerettet sind, um dann ein Spiel später in Hannover doch abzusteigen. Oder das Schneespiel in Köln, bei dem wir bereits 0-3 hinten lagen und dann in der 2. Halbzeit – als die Sonne kam und der Schnee schmolz – das Spiel in den allerletzten Minuten noch mit 4-3 für uns entscheiden konnten.
Und natürlich war in der letzten Saison das Halbfinale im DFB-Pokal gegen den HSV so ein Moment, endlich dieses Finale in Berlin erreicht zu haben, erstmalig in der Vereinsgeschichte. Alle diese Spiele – und nicht nur diese, es gab eine Menge mehr – waren besonders und meine persönlichen Lieblingsmomente nach denen Du gefragt hattest. In dem Zusammenhang erinnere ich mich immer an eine Stelle im Buch von Nick Hornbys „Fever pitch“. Er beschreibt dort an einer Stelle, worin der Unterschied liegt zwischen dem emotionalen Gefühl eines Siegtreffers in der allerletzten Spielminute und z.B. einer unerwarteten Gehaltserhöhung oder auch eines besonderen sexuellen Erlebnisses. Und er ist sich sicher, dass kein Gefühl dem Siegtreffer gleichkommt, weil es dieses komplett unerwartete in sich birgt, dieses erratische. Ich kann mich dem nur anschließen.
Vielen Dank, Hanno, für Deine Zeit und Deine sehr interessanten Antworten.