Vom Müllberg zum Ressourcenkreislauf: Wie Events nachhaltiger werden
Ich liebe Festivals! Dort fühle ich mich immer wie auf einem anderen Planeten mit seinen eigenen Gesetzen. Diese schwerelose Stimmung ist einzigartig und ich kenne sie nur von dort.
Aber dieses Erlebnis hat seinen Preis: die ökologischen Folgen. Fette Bässe, Nebel und Lasershow verbrauchen Strom ohne Ende, durch die Anreise von tausenden Besucher:innen werden Unmengen an CO2 ausgestoßen und am Ende bleiben regelrechte Müllberge zurück. Man zieht aus dem Nichts eine kleine Stadt hoch für ein Wochenende und reißt sie danach komplett ab.
Viele Festivals legen großen Wert auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Das Glastonbury Festival in England pausiert regelmäßig, damit sich der ikonische See regenerieren kann. Beim Burning Man lassen 80.000 Menschen keine Spur in der Wüste Nevadas zurück. Immer mehr Ansätze konzentrieren sich dabei auf die Kreislaufwirtschaft.
Die Kreislaufwirtschaft will den Verbrauch von Rohstoffen und die Erzeugung von Abfall minimieren. Statt begrenzte Ressourcen zu verbrauchen und neuen Müll zu produzieren, sollen Materialien und Produkte so lange wie möglich im Produktionskreislauf bleiben. Dabei wird recycelt, wiederverwendet und repariert. Ziel der Kreislaufwirtschaft ist mehr Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Umweltverträglichkeit.
Noch genauer nimmt es der Ansatz „Cradle to cradle“. Er sieht nur Produkte vor, die entweder als Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder als „technische Nährstoffe“ kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden können.
In der MICE-Branche spielen diese Konzepte noch keine große Rolle. Schickes Design, reibungslose Abläufe und Kosteneffizienz haben meist Vorrang. Im Gegensatz zu Festivals entstehen die meisten konventionellen Events nicht aus dem Nichts, aber der Ressourcenaufwand ist für die kurze Nutzdauer enorm.
Es müsste doch viel einfacher sein, in einer großen Halle mit optimaler Infrastruktur nachhaltig zu wirtschaften als auf einer abgelegenen Wiese. In welchen Bereichen kann man dabei von Festivals lernen?
- Ressourceneffizienz
Eventlocations sollten mit umweltfreundlichem und wiederverwendbarem Material gebaut werden. Recycling und Kompostierung verringern Abfälle. Das Waking Life Festival in Portugal baut seine märchenhafte Welt ausschließlich aus Holz – das bereits wiederverwendet wird. So werden keine neuen Ressourcen verbraucht.
Bei kleineren B2C-Messen könnte man Stände aus Recyclingholz bauen. Statt große Unternehmen für Messebau mit dem 40-Tonner anrollen zu lassen, könnten lokale Handwerksbetriebe eingebunden werden.
- Geschlossene Lieferkette und gemeinsame Nutzung
Closed-loop supply chains sind der Inbegriff von Kreislaufwirtschaft: Material und Ausstattung werden wiederverwendet, anstatt sie nach der Verwendung wegzuschmeißen. Bühnenteile und Technik werden in der Eventbranche oft wiederverwendet. Dekoration hingegen wird oft neu gekauft. Veranstalter:innen und Technikfirmen können Material gemeinsam nutzen und so Verschleiß und Kosten minimieren.
Das Green Man Festival in Wales spendet zurückgelassene Campingartikel nach dem Festival an Geflüchtete auf der ganzen Welt. Das hilft nicht nur Menschen in Not, sondern es wird auch nichts weggeworfen.
Die meisten Messen verlegen kilometerweise Teppich für wenige Tage, der danach im Müll landet. Würde man sie stattdessen an Sozialkaufhäuser oder Wohnungsgesellschaften spenden, fiele weniger Abfall an und Material würde an anderer Stelle sinnvoll weiterverwendet.
- Zero-Waste-Management
Abfall wird minimiert durch Kompostierung, Recycling und Spende überschüssiger Lebensmittel an lokale Organisationen. Auf Einwegmaterial sollte komplett verzichtet werden und Pfand- oder Belohnungssysteme fördern ökologisches Verhalten der Gäste.
Beim Northside in Aarhus gibt es „Trash Butlers“ – Personen in stilvollen Service-Outfits, die auf dem Gelände Müllsäcke und Aschenbecher verteilen. Zusätzlich kann man sich Freibier sichern, wenn man eine bestimmte Menge an weggeworfenen Zigarettenkippen sammelt und abgibt.
Bei Events mit Buffetcatering könnte übriggebliebenes Essen an örtliche Tafeln gespendet werden. Neben der Hilfe für Bedürftige würde man so Abfall vermeiden. Durch Abwaschbares Geschirr wird die Müllproduktion weiter massiv reduziert.
- CO2-Vermeidung und -Ausgleich
Bei Massen-Events macht die individuelle Anreise den größten Anteil am Treibstoffverbrauch aus. Er sollte gesenkt oder vermieden werden und verursachte Emissionen können durch Investition in erneuerbare Energien und Nachhaltigkeitsprojekte ausgeglichen werden.
Das We Love Green bei Paris läuft mit 100% erneuerbarer Energie und fordert Besucher:innen auf, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen (76% waren es 2018). Um die weiteren anfallenden Emissionen zu kompensieren, hat das Festival in Zusammenarbeit mit Ecosia im vergangenen Jahr 80.000 Bäume gepflanzt. Das schafft nicht nur wertvolle Grünflächen, sondern ist aktiver CO2-Ausgleich.
Die meisten Events finden zentral statt und sind gut mit dem Nahverkehr erreichbar. Veranstalter:innen könnten Anreize schaffen, das zu nutzen. Wer die Anreise mit dem ÖPNV mit dem Ticket schon gezahlt hat, lässt das Auto vielleicht eher zuhause stehen. Ebenso wären Shuttlebusse eine gute Möglichkeit, individuelle Anreise zu bündeln und Anfahrten zu schlecht angebundenen Locations zu ermöglichen. Dafür sind strategische Partnerschaften mit Verkehrsverbünden wichtig. Durch Anreisetipps oder CO2-Rechner auf der Eventseite, Ökostrom und stromsparende Geräte können Emissionen weiter minimiert werden.
Oft sind nachhaltige Konzepte teurer als konventionelle – der lokale Handwerker arbeitet nicht zu gleichen Preisen wie Großanbieter. Das kann Kunden abschrecken. Hier sind die Eventagenturen gefragt, zu vermitteln, abzuwägen und zu argumentieren. Sie können Kunden sensibilisieren und zu Kompromissen führen und beispielsweise auf einen Teil der schicken Ausstattung verzichten. Transparente Kommunikation, die nahelegt, dass ein Verzicht positive Folgen für die Umwelt hat, kann sehr positiv wahrgenommen werden. Nachhaltiges unternehmerisches Handeln liegt im Trend.
Trotz vieler grüner Initiativen im Eventbereich ist eine flächendeckende Anwendung ökologischer Prinzipien auch bei kleineren Events noch weit entfernt. Dafür fehlen skalierbare Konzepte und unterstützende Gesetze – das Kreislaufwirtschaftsgesetzt von 2012 regelt bisher nur die Abfallwirtschaft. Die Nachfrage an nachhaltigen Produkten steigt zunehmend, wird also immer mehr zu einem unverzichtbaren Attraktivitätsfaktor.
Mehr erfahren: Beim Ideenlabor 2021 sprach Felix Heisel von der Cornell University über Kreislaufwirtschaft und Urban Mining. Hier geht’s zur Keynote.