9 Fragen zu Unternehmertum mit Ulrich Martin Drescher
Als Agentur beschäftigen wir uns regelmäßig mit dem Thema Unternehmertum, meistens indem wir Gespräche und Diskussionen kuratieren und live auf die Bühne bringen. Nicht nur in unserem Team, sondern auch in der Community, zum Beispiel in Florians Podcasts „Expedition Arbeit“ und „Geiler Laden“, die sich unter Anderem damit beschäftigen.
Ulrich Martin Drescher hat schon so viele Unternehmen mitgegründet, beraten, begleitet und in sie investiert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll und welche Fragen ich stellen möchte.
Ulrich ist wohl das, was man einen Tausendsassa nennt. Er hat beim Fernsehen gearbeitet, dann folgte eine Lehre zum Bankkaufmann, dann studierte er Volkswirtschaftslehre und Jura. AStA-Finanzreferent. Uni-Senator. Moderator. Organisationsentwickler. Gemeinderat. Aufsichtsrat. Beirat. Golfer. Schifoarer.
Viel Spaß beim Lesen dieses interessanten Interviews!
Uli, erzähle doch den Leserinnen und Lesern ein paar Sätze über Dich und das, was Du bisher alles getan hast.
Ich versuche mich kurz zu fassen: Frankfurter Junge, Gymnasiumsabbrecher, Jung 68er, Börsenbanker, Examenswackler, Stromrebell, Solarpionier, UnternehmensGrüner, Bundestagskandidat. Beruflich als Workshop-Moderator in 42 Jahren wohl für 300 Unternehmen aktiv.
Es ist wunderschön hier zu wohnen, aber ist Freiburg auch ein guter Ort, um ein Unternehmen zu gründen?
Im Raum Freiburg hat sich seit dem Bau des Münsters durch die Bürgerschaft (und nicht durch den Klerus), über die Badische Revolution 1848/49, durch die handwerklichen Tüftler in den Schwarzwaldtälern und die gewerblichen Gründer entlang des Rheintals eine gewitzte, selbstbewusste Grundstimmung etabliert, die einzigartig ist in Deutschland und viele Weltmarktführer hervorgebracht hat.
Georg Salvamoser zum Beispiel ist Anfang der 90er-Jahre bewusst nach Freiburg gekommen, um die Solar Fabrik Modulfertigung zu gründen, weil schon damals in unserer Region ein Netzwerk von Protestlern, Solarbastlern, Ökoinstitutlern und Grünen das Wurzelgeflecht für eine erfolgreiche Pioniergründung bot. Diese Entwicklung hat ihren Ursprung in Wyhl, wo wir Freiburger Mitte der 70er-Jahre der örtlichen Bevölkerung geholfen haben, den Bau des geplanten Atomkraftwerkes zu verhindern.
Was motiviert Dich, so viele verschiedene Projekte zu unterstützen – mit Deiner Zeit, Deinem Wissen… und Deinem Geld? Was sind Deine Auswahlkriterien?
Was nachhaltig Unternehmerisches verspricht, interessiert mich. Entscheidend sind dabei die Personen, die neue Entwicklungen voranbringen wollen. Der vollbärtige Michael Sladek von EWS Schönau war so jemand, genauso wie Georg Salvamoser oder Leo Pröstler. Jetzt kann ich meine Beratungserfahrungen an junge GründerInnen im Grünhof weitergeben. Hier kann ich meine Profession einbringen: Fragen, Beobachten, Moderieren, Zuspielen, Reflektieren, Intervenieren, Zusammenführen. Am Wirkungsvollsten gelingt das übrigens im Verbund mit zwei, drei weiteren Pionierbegleitern.
Turbulenzen und Schwierigkeiten gehören zu den meisten Geschichten eines Start-Ups. Aber gibt es einen Punkt, an dem Du einem Start-Up raten würdest aufzuhören? Wenn ja, welcher ist das?
Ich war auch an Pionierunternehmen beteiligt, die gescheitert sind, weil das Geschäftsmodell nicht gestimmt hat, etwa bei Energie in Bürgerhand. Generell eine Stopp-Linie zu definieren, ist schwierig. Die Regionalwert AG z.B. kämpft seit 15 Jahren für eine nachhaltige Ernährungswirtschaft, ohne dass die Bürgeraktionärinnen bisher finanzielle Dividenden gesehen haben, dafür aber vielfältige soziale und ökologische Rendite. Und wie auch bei BaumInvest AG entwickeln sich plötzlich interessante neue Geschäftsfelder, die mit dem Gründungsimpuls wenig zu tun haben: bei Regionalwert AG ein neuer Bewertungsansatz in der Finanzbuchhaltung, bei BaumInvest AG das CO2-Zertifikatsgeschäft. Aber man braucht schon hohe Resilienz, um grüne Pionierunternehmen im aktuellen Umfeld durchzusteuern.
Bei so vielen Projekten gleichzeitig, wo holst Du Dir neue Inspiration, wenn Du mal nicht weiterkommst und einen frischen Kopf brauchst?
Nach jeweils 10 Jahren Aufsichtsrat konnte ich zwei Mandate an fachlich bessere Nachfolgerinnen überleiten; aber eine Runde Golf oder Schifoan hilft in allen Lebenslagen.
Wo lohnt es sich in seiner täglichen Arbeit auf seinen inneren Rebellen zu hören und gibt es Wege diesen zu kultivieren?
Nicht jede:r hat einen inneren Rebellen – und das ist auch gut so. Reflexion und Perspektivenwechsel helfen aber, im richtigen Moment das Unerwartete zu tun.
Welchen vermeidbaren Fehler hast Du bei Unternehmer:innen schon oft beobachtet? Und was hast Du in solchen Fällen geraten?
Fehler entstehen automatisch, wenn man ungewohnte Wege gehen will oder muss. Entscheidend ist, ein Netzwerk von unterschiedlich versierten BegleiterInnen um sich zu scharen, um die eigenen blinden Flecken auszugleichen und Kontakte zu öffnen. Viele Pioniere sind von Ihrer Idee fasziniert und es fällt naturgemäss schwer, kritischen Rat anzunehmen. Und Gründer sind nicht automatisch gute Unternehmer.
Welche drei Bücher würdest Du jeder Unternehmerin und jedem Unternehmer empfehlen?
Eher als Bücher helfen persönliche Netzwerke, kollegialer Rat und unternehmerische Foren. Von Seinesgleichen nimmt jeder eine Korrektur eher an als von fremden Experten.
Und was ist der beste Rat, den Du je bekommen hast?
„Alles, was ich über Moral und Verantwortung weiss, habe ich vom Fussball“ – Albert Camus, Literaturnobelpreisträger und Torwart. Das gab mir Orientierung als Zuspieler und Abspieler, sowohl bei den „Grüne Elefanten“-Freizeitkickern, als auch beruflich und als Aufsichtsrat.
Vielen Dank, Uli, für Deine Zeit und das Beantworten der Fragen.