8 Fragen an Nils Cordell, Event Evangelist
1. Du nennst Dich Event Evangelist. Was bedeutet das?
Der Begriff kommt aus der IT-Branche. Ein Tech Evangelist ist ein Vordenker, Berater und Unterstützer mit Fokus auf Lösungsansätzen außerhalb der bekannten Pfade. Das übertrage ich auf die Veranstaltungsbranche und ergänze es mit dem Auftrag, als neutraler Mittler zwischen Kunden und Dienstleistern das Zustandekommen und die ersten Schritte einer Kooperation als wirtschaftlich unbeteiligter Dritter zu begleiten.
Die Arbeit ist vergleichbar mit der eines Übersetzers, weil beide Seiten oft ähnliches meinen, aber unterschiedliche Sprachen sprechen. Unternehmensberatung ist daher ebenso notwendig wie vorausschauende Paartherapie (lacht) – noch bevor es Reibungen gibt.
Dazu erlauben beide Seiten, dass ich die unbequemen Fragen stellen darf, die es manchmal braucht. Als komplett neutraler „advocatus diaboli“ bringe ich die Partner dazu, das Projekt von allen Blickwinkeln kritisch zu betrachten und noch vor der Entscheidung für eine Zusammenarbeit all das auszuräumen, was im späteren Verlauf hinderlich werden könnte.
2. Wie kam der Schritt vom Event-Manager zum Event Evangelist?
Nach mehr als zwanzig Jahren als Veranstalter entstand der Impuls durch mein Buchprojekt für den Haufe-Verlag. Im Zuge der Recherchen zum Thema Nachhaltigkeit im Eventmanagement haben mein Co-Autor und ich viele Interviews und Gespräche geführt – mit beiden Seiten: Auftraggeber (zumeist Firmen) und Auftragnehmer (Dienstleister, wie zum Beispiel Agenturen). Und hier haben sich meine eigenen Beobachtungen bestätigt: Je besser die Kommunikation noch vor Beginn der eigentlichen Arbeit ist, desto besser wird der Prozess und das Ergebnis. Daher die Entscheidung, künftig stärker beratend als operativ tätig zu sein.
3. Wer ist deine Zielgruppe?
Sowohl große Firmen, die ihre Veranstaltungen komplett inhouse planen und durchführen, wie auch KMU, die auf externe Unterstützung setzen. Um unabhängig und neutral zu bleiben, wird der Event Evangelist vom Kunden bzw. vom Auftraggeber bezahlt, diese Kosten sind also Teil des Gesamtbudgets einer Veranstaltung.
4. Wie arbeitest du mit Agenturen zusammen?
Ein bedeutender Aspekt meiner Tätigkeit besteht darin, bestehende Beziehungen zu Dienstleistern und Agenturen zu vertiefen. Dank der präzisen Abgrenzung meines Leistungsumfangs, der die operative Arbeit ausklammert, wird absolute Neutralität gegenüber Dritten gewahrt. Daher fallen weder Provisionen noch Vermittlungsgebühren an. Für Agenturen bietet die Zusammenarbeit einen entscheidenden Vorteil: Sie erhalten detaillierte Einblicke in die Rahmenbedingungen. Themen wie Umfang, Zeitrahmen und Budget liegen klar auf dem Tisch – im Gegensatz zu herkömmlichen Ausschreibungen. Dadurch treffen Kunden ihre Entscheidungen nicht auf Basis des günstigsten Angebots, das möglicherweise Nachverhandlungen erfordert, oder des schnellsten Angebots, das unrealistische Versprechungen macht und zu Stress führen kann. Auch die Ästhetik eines Angebots, das mehr heiße Luft als Inhalt bietet, spielt keine Rolle, da meine Bewertung vollkommen neutral erfolgt. Stattdessen wählen Kunden das Angebot, das am besten zu den in den Vorgesprächen priorisierten Faktoren passt – eine Bewertung, die komplett unvoreingenommen erfolgt.
5. Wie sieht die Arbeit auf der Kundenseite aus, wie profitieren die Auftraggeber von einer Zusammenarbeit mit Dir?
Die Entlastungen entstehen auf Kundenseite an unterschiedlichen Stellen:
Zunächst durch das Sicherstellen der „richtigen“ Rahmenbedingungen und das Begleiten der Schritte, die zur Festlegung führen, welche Art von Event in welcher Größe mit welchem Fokus verantwortet von welchen Teams eigentlich gewünscht ist. Das passiert noch vor der Entscheidung, mit welchen Dienstleistern oder Agenturen überhaupt zusammengearbeitet wird.
Dann durch die Unterstützung bei der Ausschreibung und der Suche nach passenden Partnern und durch das Sichten und Harmonisieren der diversen Angebote.
Der vielleicht wichtigste Teil folgt dann, wenn die Gespräche ins Detail gehen: Hier stellt der Event Evangelist dann sicher, dass alle Akteure erstens an Bord sind und auch gehört werden, dass Erwartungen passen und jede und jeder von jeweils anderen weiß, was im Rahmen dieser Kooperation am Ende zu erwarten ist. Ich versuche, an dieser Stelle, also noch bevor es ins operative Arbeiten geht, alle Überraschungen vorwegzunehmen und anzusprechen.
6. Wie viel Zeit und andere Ressourcen investierst Du in das Thema Networking?
Ganz konkret: Eine halbe Stunde bis Stunde pro Tag (an Tagen mit eigenen Postings) an reiner Netzwerkarbeit.
Zentral sind natürlich die persönlichen Kontakte, unterstützt von fokussierter Kommunikation auf Social Media. Ich nutze quasi ausschließlich LinkedIn, hier ist elementar, viel Zeit in gute Texte zu investieren. Selbst schreiben ist ein Muss, KI hin oder her. Vielleicht bin ich da auch zu old school (lacht).
Vernetzung im „echten Leben“ erfolgt auf diversen Netzwerkveranstaltungen oder als Mitglied der Marketing Community Freiburg, außerdem durch Besuche einschlägiger Messen und Kongresse.
7. Wie genau funktioniert das denn eigentlich, das Aufbauen eines Netzwerks? Kann man das überhaupt systematisch entwickeln?
Ja, das geht. Klar sollte man auch Spaß daran haben, sich mit anderen zu vernetzen und auszutauschen, und der berühmt-berüchtigte Smalltalk ist ein Muss. Aber auch diese Fähigkeit lässt sich entwickeln. Der erste Schritt besteht darin, passende Netzwerke zu besuchen, um ein Gespür für relevante Themen und interessante Persönlichkeiten zu entwickeln. Kompetenzen aufbauen und auf LinkedIn aktiv die Inhalte der engeren Netzwerkpartner verfolgen; wenn es passt auch sinnvoll kommentieren und das Netzwerk nach und nach erweitern. Bei der Kontaktaufnahme mit neuen Verbindungen ist es wichtig, in einem kurzen Zweizeiler zu erklären, warum man den Kontakt sucht. Diese Ansprache kann durchaus pragmatisch sein, zum Beispiel: „Ich bin neu in der Branche und bin dabei, mein Netzwerk zu erweitern. Ihren Kommentar zu XYZ finde ich sehr passend und würde mich über eine Verbindung freuen.“
Das Profil sollte wirklich rundum gut sein: Es lohnt sich, in ein professionelles Profilfoto zu investieren und sämtliche Informationen zu prüfen, die ins Profil aufgenommen werden. Auch die Texte Korrekturlesen zu lassen lohnt sich. Es gibt tolle Anleitungen im Netz, worauf man noch achten kann. Hier lieber ein paar Stunden mehr investieren.
8. Hast du drei Tipps für jemanden der besser netzwerken möchte?
Erstens: Es lohnt sich vor Veranstaltungen die Teilnehmerliste zu studieren bzw. im Vorfeld herauszufinden, wer kommen wird – und dann diejenigen Personen vorab kontaktieren, mit denen man sich vor Ort unterhalten möchte.
Zweitens: Visitenkarten verteilen und gerne in hochwertige Ausführungen investieren, da in einer zunehmend digitalen Welt diese Rückbesinnung auf das haptische Erlebnis etwas Besonderes ist – und somit hilft, im Gedächtnis zu bleiben. Dazu gehört, die Karte dankend anzunehmen, die eigene Karte im Gegenzug zu überreichen (wichtig: sicherstellen, dass alle Karten „sauber“ sind und immer aktuelle Informationen tragen), die Karte des Gegenübers von beiden Seiten aufmerksam und vor allem wertschätzend zu betrachten.
Drittens: Ein Netzwerkabend ist keine Party! Also: Gerne einen Begrüßungssekt und/oder ein alkoholisches Getränk trinken – danach umsteigen auf alkoholfreie Getränke. 😉